Tanzen und Trauern
In Resonanz mit Schubert
Pfortekonzert im Frauenmuseum mit Werken von Franz Schubert, Raphaela Fröwis, Darius Grimmel, Baran Mohammadbeigi & Zuko Samela
Alles hat seine Zeit
Was ist Volksmusik und wo beginnt die Kunstmusik? Musikalische Kategorien betrachten wir bei der Pforte immer mit einer gewissen Skepsis und Franz Schubert ist für uns jener Komponist, der diese Kategorien radikal auf ihre Sinnhaftigkeit hin überprüft. Wo siedeln wir beispielsweise die Ländlerkette D783 an? Es sind schlichte, zu Herzen gehende Tänze, die klingen, als würden sie im Augenblick ersonnen.
Radikaler Szenenwechsel. Wir tauchen ein in Schuberts Streichquartett G-Dur D887. Das Cellothema des 2. Satzes kommt gemessenen Schrittes daher und nichts unterscheidet diese Melodie von einem Volkslied. Ein zu Herzen gehender Gesang, der uns in seiner Schlicht- heit ergreift. Das Thema ist zu Ende gespielt und dann kommt etwas ins Spiel, das über die Volksmusik hinaus- geht. Während bei den Deutschen Tänzen die Reise mit dem Ende der Melodie endet, öffnet sich hier nochmals eine Welt: Das Marschthema entfaltet sich zu einer nicht enden wollenden Melodie, die nach einer geheim- nisvollen Überleitung in einen Verzweiflungsausbruch führt, der mitunter sogar verstören kann. Die Instru- mente schreien geradezu herzzerreißend, dann bewegen sich die verzweifelten Klänge in harmonisch immer entferntere Regionen, bevor sie wieder in die Schlichtheit zurückführen.
Kennen Sie lustige Musik?
Je länger wir dieser Musik lauschen, desto klarer wird der Unterschied zwischen Volksmusik und Kunstmusik. Im langsamen Satz des G-Dur Quartetts geht eine Melodie auf eine lange, abenteuerliche Reise, durchlebt große Stürme und milde Sonnentage, am Schluss kehrt sie verwandelt wieder heim. An dieser Stelle kommt die Frage ins Spiel: Was ist besser? Ein Spaziergang ums Haus? Oder eine große Reise? Kommt ganz darauf an, wieviel Ressourcen uns zur Verfügung stehen. Manchmal finden wir nur die Zeit, einen Häuserblock zu umrunden. Zu einem anderen Zeitpunkt planen wir eine große Reise, bei der wir wahre Abenteuer zu bestehen haben, bevor wir wieder nachhause kommen. Alles hat seine Zeit. So soll Schubert einmal gefragt haben, und ohne eine Antwort abzuwarten, diese selber mit «ich nicht!» beantwortet haben. Mit dem großen G-Dur Quartett, dem zentralen Werk des Abends, lernen wir eine Facette von ihm ganz besonders gut kennen: Schubert als Tröster oder vielleicht besser gesagt als Trauerarbeiter.
Das Streichquartett beginnt mit einem Pianissimoklang, der sich aus dem Nichts formt, sich steigert, um in einen wilden Schrei zu münden. Und dann führt uns die Musik durch allerlei Zustände: vom bangen Flüstern bis zu lauten, verzweifelten Rufen, vom wehmütigen Zurückblicken bis zum wilden Aufbäumen ist alles dabei, was eine Seele in dunklen Stunden erlebt. Aber es wäre nicht Schubert, wenn da nicht plötzlich ein ergreifender Trost auftauchte: Ein Seitenthema im Gewand einer Ländlermelodie ist seine Antwort. Meisterhaft führt Schubert nach all der Aufgewühltheit in eine Schlichtheit, in eine tänzerische Leichtigkeit, die wohltuender nicht sein könnte. Es kann durchaus sein, dass der eine oder andere Zuhörende das Bedürfnis nach tänzerischen Bewegungen verspürt. Obwohl die Melodie eine gewisse Melancholie verbreitet, will etwas in uns tanzen. Man muss das Leben tanzen, soll Friedrich Nietzsche gesagt haben. Dieser Satz könnte ihm genau an dieser Stelle zugeflossen sein. Das Leben tanzen heißt: alles zu tanzen, die Verzweiflung ebenso wie die Freude, den Schmerz genauso wie das Glück.
Klaus Christa
Programm
Franz Schubert (1797–1828) Streichquartett G-Dur D887, Deutsche Tänze D783
Auftragswerke von Raphaela Fröwis (*1993), Darius Grimmel (*1996), Baran Mohammadbeigi (*1999) & Zuko Samela (*1995)
Wir sind unglaublich neugierig darauf zu erfahren, wie junge Menschen heute Schubert hören und erleben bzw. wie sie in ihrer musikalischen Sprache auf diese Impulse antworten. Wir haben vier junge Komponist*innen, die am Vorarlberger Landeskonservatorium studieren bzw. studiert haben, eingeladen, musikalisch auf diese Deutschen Tänze von Franz Schubert zu antworten.
Epos:Quartett
Christine Busch Violine
Verena Sommer Violine
Klaus Christa Viola
François Poly Violoncello
Studierende des Vorarlberger Landeskonservatoriums
Einzelkarten für Konzerte im Frauenmuseum
Normalpreis: € 24.–
Studierende: € 9.–
Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre: kostenlos
Karten erhältlich > Tourismusbüro Hittisau , T +43 5513 6209250, tourismus@hittisau.at und an der Abendkasse ab 16.30 Uhr
Der Besuch der Ausstellung im Frauenmuseum vor dem Konzert ist im Kartenpreis inkludiert.
Die Veranstaltung findet unter Einhaltung der aktuellen Covid-19-Bestimmungen statt.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der pforte.at